Wer zum Unternehmensjubiläum Geschichte nur nacherzählt, lässt Chancen liegen. Eine ansprechende Firmenchronik und wirkungsvolle historische Kommunikation entstehen nicht aus dem Lauf der Dinge, sondern aus der Unternehmensidentität.
Wer zum Unternehmensjubiläum Geschichte nur nacherzählt, lässt Chancen liegen. Eine ansprechende Firmenchronik und wirkungsvolle historische Kommunikation entstehen nicht aus dem Lauf der Dinge, sondern aus der Unternehmensidentität.
Nicht nur einmal, immer wieder kletterte der Firmengründer nächtens über das Werksdach, um durch die Oberlichter seine Mitarbeiter zu kontrollieren. Er glaubte tatsächlich, die würden das nicht merken. Schöne Geschichte. Und dann seine Frau, die ein Mitarbeiter regelmäßig im Firmen-Benz zum Frisör kutschierte. Auch das eine nette Anekdote. Im Verlauf von 100 Jahren Unternehmenshistorie kommen viele solcher Geschichten zusammen. Aber erzählen sie auch die Geschichte des Unternehmens?
Geschichte erzählt man am besten chronologisch, damit man die Ereignisse in ihrer Abfolge versteht – so lernt man es als Redakteur:in. Tatsächlich ist das auch der beste Weg, um nachzuvollziehen, wie ein Unternehmen zu dem wurde, was es heute ist. Um ein Unternehmensjubiläum kommunikativ zu vermarkten, ist die Chronologie aber nicht der Königsweg. Auch historische Kommunikation orientiert sich im besten Fall an der Markenidentität des Unternehmens.
Nicht 100 Jahre, sondern 1
Beim Metallweber und Hidden Champion GKD, der 1925 in Düren gegründet wurde, leitete sich aus dieser Überzeugung ein Motto ab, das die aktuelle Jubiläumskommunikation in allen Formaten prägt: „First Century GKD“. Der Gedanke: So, wie man die Unternehmenswerte Innovation, Tradition und Nachhaltigkeit auf die Zukunft ausgerichtet versteht, so sollte auch die Kommunikation zum Jubiläum eine nach vorn gerichtete Botschaft haben.
Im Interview in der 140-Seiten-Chronik sagt CEO Lara Kufferath: „Wir werden nicht 100, sondern 1. Das war das 1. Jahrhundert von GKD und wir gestalten jetzt das nächste.“ Motto: Wir haben gerade erst angefangen. Mit einem einfachen kommunikativen Dreh wurde so aus einer rückwärtsgewandten Kommunikation eine Zukunftsstory.
In der Umsetzung wurde die gesamte Historie des Unternehmens durchforstet nach Beispielen für Innovation und Nachhaltigkeit, für Verantwortung des Familienunternehmens und nach Mitarbeitenden, die die Unternehmenswerte glaubhaft repräsentier(t)en. So wurde in den Stories der Chronik die Historie immer wieder aufgebrochen und erzählt, wie sich der Mut zu neuen Wegen oder selbstloses Unternehmertum über die Jahre immer wieder zeigte. Nicht selten weisen diese Stories in die Zukunft, um deutlich zu machen: Die Geschichte geht weiter. Das Design zum Jubiläum, das die 100 in einen nach vorn gerichteten Pfeil münden lässt, setzt den passenden Rahmen.
Ein ganzes Jahr Jubiläum? Zu lang!
Nach dem inhaltlichen Setting stellte sich die Frage der Dramaturgie. Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Start – schon zu Jahresanfang? Gibt es irgendwann einen Peak? Und: Was sind die richtigen Instrumente? Schnell war klar: Die Historie das ganze Jahr kommunikativ zu feiern, würde ermüdend werden. So wurde der Startpunkt Mitte Juni (GKD wurde am 17. Juni 1925 gegründet) auch gleich zum Peak. „Geheimnisvolle“ Posts auf LinkedIn in den Tagen zuvor weckten das Interesse.
Zum Jubiläum wurde die Microsite mit Auszügen aus der Chronik, Bildern und Videos freigeschaltet. Die gedruckte Chronik erhielten alle Mitarbeitenden, viele Kunden und Partner. Am selben Tag gab es am Hauptsitz in Düren einen „Event-Marathon“ mit Festakt für Kunden, Partner und lokale Prominenz, mit Produktionsrundgängen und anschließender Feier für Mitarbeitende und Pensionär:innen. Die LinkedIn-Kampagne mit Posts aus der Historie wird noch bis Jahresende fortgesetzt. Lokale und Fachpresse erhielten ein umfangreiches Paket an Inhalten.
Ein Jahr vorher anfangen: mindestens!
Die Chronologie wird natürlich auch bedient, aber eben nur als Pflichtübung, um die Ereignisse im Lauf der Zeit nachvollziehen zu können. Die Aufarbeitung der Historie, Sichtung und Auswertung von Schriftverkehr, Marketing-Unterlagen, Bildmaterial, Unternehmensdokumenten, historischen Medien etc. bildete die inhaltliche Grundlage für alle Kommunikationsmaßnahmen. Das wichtigste Learning: Eine inhaltlich durchdachte, wirkungsvolle historische Kommunikation braucht Zeit. Viel Zeit.
Hintergrundgespräche mit Zeitzeug:innen sind nicht nur unglaublich wertvoll, weil sie Storyschätze zu Tage fördern. Sie kosten auch viel Zeit für Vorabrecherche, nachträgliche Prüfung und Abstimmung. Gleiches gilt für die Sortierung und Bewertung historischen Materials, die Datierung von nicht immer klar zuzuordnenden Quellen und von Bildmaterial. Deshalb: Wer kreativ und wirkungsvoll auf der Klaviatur der historischen Kommunikation spielen will, sollte mindestens ein Jahr vor dem Tag X mit der Arbeit beginnen.